II. Theorische Astronomie. 1. Von der Erde.
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1fragt sich also: was beträgt sie, und wie ist man zur Kenntniß198
2derselben gekommen?
3Die relative Entfernung der Erde von der Sonne kennt man
4schon lange; und es muß also zuerst von derselben gesprochen
5werden. Man verdankt sie dem großen Kepler. Sie ist das dritte
6seiner berühmten Gesetze.
7Johann Kepler – von welchem sich nach Bailly »die Ueber-
8legenheit der Neuern über die Alten datirt, der das morsche
9Gebäude des Alterthums zertrümmerte, um über demselben ein
10neues dauerhafteres aufzuführen, und der wahre Stifter der gan-
11zen neueren Astronomie ward, eines Geschenks, das Europa aus
12der Hand Germaniens erhielt« – ward zu Weil bey Leonberg im
13Würtembergischen als ein Sieben-Monatskind den 27. Dec. 1571
14geboren. Er studierte im Kloster Maulbrunn | und zu Tübingen199
15Theologie und Mathematik, in welcher letzteren Mich. Mäst-
16lin, ein Copernikaner, sein Lehrer war. Im Jahre 1593 und also
17im 22. Jahre seines Alters, kam er als Prof. der Mathematik
18und Moral nach Gräz in Steyermark. Früher schon hatte er den
19Trieb gewisse Verhältnisse der Entfernungen der Planeten unter
20einander auszufinden; und im Jahre 1596, im 25. seines Lebens
21kam darüber sein Buch:Prodromus dissertationum cosmogra-
22phicarum, continens mysterium cosmographicumzu Tübingen
23heraus, wodurch er seinen Ruhm gründete. Er schickte es Tycho
24de Brahe zu, der damahls Astronom am Kaiserlichen Hofe zu
25Prag war; worauf ihm denn dieser eine Stelle daselbst, als Kaiserl.
26Mathematiker und Gehülfe Tycho’s bewirkte. So kam Kepler
27im Jahre 1600 nach Prag. | Kaum war er daselbst, so bemerkte200
28Tycho, daß er immer lieber Ursachen aufsuchen, als beobachten
29wollte. Tycho warnte ihn deßwegen, und als er sich nicht bedeu-
30ten ließ, auch zurückhaltend mit seinen Entdeckungen war, zog
31sich Tycho merklich zurück und wurde kalt gegen ihn; worüber
32Kepler in seinen Briefen, an seinen Lehrer Mästlin, klagt. Aber
33im Jahre 1601 starb Tycho und nun geriethen alle Schriften
34und Beobachtungen desselben in seine Hände. Ueber diese stu-
35dierte er nun 18 Jahre und ward durch dieselben, so wie zu
36seinen zwey andern Gesetzen, also auch zu dem dritten – zu
37dem berühmten Gesetze über das Verhältniß der Entfernungen
38der Planeten zu ihren Umlaufszeiten geführt. Auch berechnete er
39aus Tychos Schriften und Beobachtungen, die in der Astronomie