1Eine derartige Belastung (man vergleiche das einmal mit den Lehr-
2verpflichtungen heute) ließ freilich wenig Raum für eigene Grund-
3lagenarbeit. Die »Königliche Sozietät« in Göttingen, die heutige
4Akademie der Wissenschaften, wurde daher dezidiert als Förder-
5einrichtung für die Forschung der Universitätsprofessoren begrün-
6det: Das Geld, welches sie für ihre Publikationen in den »Com-
7mentationes« erhielten, mußte nicht im Lehrbetrieb erarbeitet
8werden.4 Für die Seite des Studenten erklärt diese Rechnung auch
9sofort, wie der Stoff eines Studiums in die sechs Semester des da-
10mals üblichen ›Triennium academicum‹ passen konnte.
11Man kannte zwar im 18. Jahrhundert auch schon alle moder-
12nen Veranstaltungstypen wie Seminar in der Philologie und Theo-
13logie, Praktikum in Jura und Medizin, doch war die beinahe allei-
14nige Lehrform das Kolleg: die Vorlesung, die sich bis heute zu
15Vermittlung und gleichzeitiger Auswahl größerer und größter
16Stoffmengen anbietet und dabei dem Dozenten Raum läßt für die
17Entwicklung eigener Anschauungen und Akzentsetzungen. Vorle-
18sungen haben infolgedessen für den Fachhistoriker selbst dann
19noch ihre Berechtigung für die Wissenschaftsgeschichte, wenn al-
20les in ihnen mitgeteilte Wissen auch in anderen Werken enthalten
21zu sein scheint, ja wenn alle Details im Fortgang der Wissenschaft
22überholt sind. Ein Beispiel aus dem 19. Jahrhundert: Mögen auch
23zahllose Einzelheiten von Droysens »Historik«, erwachsen aus
24 einem Kolleg, heute nicht mehr zutreffen, so tangiert das doch
25nicht die grundsätzliche Richtigkeit der meisten seiner geschichts-
26philosophischen, methodischen und hodegetischen Thesen und
27Ermittlungen – und vor allem anderen nicht die Anregungkraft,
28die auch jetzt noch von ihnen ausgeht. Selbst im geschriebenen
29Buchstaben ist hier zugleich noch die Kraft des mündlichen Vor-
30trags eingefangen. Ähnlich hat in jener Blütezeit der deutschen
31Geschichtswissenschaft Theodor Mommsen offenbar mit einer