1ein Recht dazu? Es geht ja Alles in uns selbst vor. Schon Leibnitz
2sagte: »sehr oft ist die Betrachtung der Natur der Sache nichts
3anders, als die Betrachtung der Natur unsrer Seele.« – Es wäre
4also immer auch eine Physik für den (materiellen) Idealisten mög-
5lich. Nur freylich müßte dann die Definition dersel|ben anders4
6ausfallen. – Indeß dieß Alles kümmert uns nicht. Wir gehen von
7dem Schein aus und fangen da an, wo alle Streitigkeiten ein Ende
8haben.
9Was die obige Definition der Physik betrifft, so kann sie unmög-
10lich diejenige Wissenschaft seyn, die in einem halben Jahre soll
11vorgetragen werden. Denn, da müßte auch Naturgeschichte, Che-
12mie, Anatomie und Physiologie tradirt werden, welche die obige
13allgemeine Definition alle mit einschließt. – Um den engern Begriff
14der Physik zu bestimmen: muß man diese Branchen der allge-
15meinen Physik vorher kennen lernen, und wissen, womit sie sich
16beschäftigen.
17Naturhistorie ist ein beschreibendes Inventarium der Körper
18(etwa die himmlischen ausgenommen) in ihrem natürlichen Zu-
19stande. Gemmen und | Taschenuhren gehören eben so wenig in5
20die Naturgeschichte, als Sonne, Mond und Sterne. Sie giebt die
21gehörigen Charaktere und Kennzeichen der Körper an, ohne tief
22einzudringen, nur damit sie gut von einander können unterschie-
23den werden, und rangirt sie deshalb in Classen. – Mit Recht
24nennt sie daher Kant Naturbeschreibung und trennt sie von der
25eigentlichen Naturgeschichte. Diese wäre die Lehre von den Ver-
26änderungen, welche sowohl die Erdgestalt, als die Erdgeschöpfe,
27jene durch große Revolutionen, diese durch natürliche Wande-
28rungen erlitten haben. In der Naturbeschreibung werden z.B. die
29Charaktere des Basalts angegeben; in der Naturgeschichte wird
30die Quästion untersucht, wie der Basalt entstanden ist. In der
31ersten war Linne ein Meister. Es ist kein zweyter Mensch vor und
32nach ihm, dem die Natur | ein solches Auge gegeben hätte, womit6
33er sogleich die Charaktere ausfindig machen konnte. Ueber die
34letztere haben wir nur noch dürftige Fragmente.
35Die Chemie dringt tiefer in das Wesen der Körper ein, zerlegt
36dieselben in ihre einfachen Bestandtheile, bis sie keiner Zerlegung
37mehr fähig sind, und bedient sich dazu der stärksten Trennungs-
38und Auflösungs-Mittel – nämlich des verstärkten Feuers und der
39starken Säuren.
40Die Anatomie beschäftigt sich mit der Lage, Ordnung und
41Größe der organischen Körper. Sie bedient sich dabey blos des