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*) Die Existenz dieses Wesens, wovon der Begriff mit dem Ruhm seines
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großen Gründers, Stahls, bald mehr bald minder modificirt, sich über
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ganz Europa verbreitet hatte, wird jetzt auf Veranlassung des Hrn. Lavoi-
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sier und einiger andern, vorzüglich Französischer Chemisten, fast allge-
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mein nicht blos in Zweifel gezogen, sondern mit außerordentlicher Zuver-
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sicht schlechtweg geläugnet. Viele von den Phänomenen, die man bisher
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durch Beytritt und Entfernung des Phlogistons erklärt hat, erklärt man
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nemlich, und gewiß nicht selten sehr glücklich und adäquat, umgekehrt
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durch Entfernung und Beytritt eines andern eignen Grundstoffes, den man
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den Säurezeugenden (principe oxygène) nennt, der übrigens mit dem Wesen,
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das er verdrängen soll, auch dieses gemein hat, daß er blos angenommen
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ist und für sich allein nicht hergestellt werden kann. Mit dem Wärmestoff
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(calorique) und vielleicht dem Lichte verbunden, macht er die
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diesem Wärmestoff die inflammable macht. Mit den Metallen verbunden
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macht er die Metallkalke, mit dem Phosphor, dem Schwefel, dem Stick-
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stoff, u.s.w. die Phosphorsäure, Vitriolsäure, Salpetersäure, so wie mit
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andern Grundstoffen die andern Säuren. So weit geht alles sehr gut und,
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was die Erklärung der Vermehrung des Gewichts bey dem Verbrennen
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und Verkalken mancher Körper betrifft, allem Anschein nach besser als
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im alten System. Die Hitze, die beym Verbrennen entsteht, ist nach ihnen
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das Calorique des Oxygen-Gases, das von seinem Oxygen, welches andere
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Verbindungen eingegangen ist, getrennt, sich nun frey auf die benachbar-
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ten Körper wirft. Hierbey hat indessen der philosophische Naturforscher,
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der immer das Ganze vor Augen haben und nicht, wenn man ihm einige
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wichtige Zweifel gegen sein bisheriges System gemacht hat, sogleich in das
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neue flüchten muß, das man ihm darbietet, zu bedenken. 1) Daß die
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Einfachheit der Metalle in dem neuen System eben so hypothetisch ist, als
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ihre Zusammentgesetztheit im alten, und eben so die des Phosphors,
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Schwefels etc. und man also die Lehrmeynung, daß die Zersetzung der
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dephlogistisirten Luft durch doppelte Verwandtschaft geschähe, nicht zu
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geschwind aufgeben muß. Sie könnte wieder Mode werden. Einige Metalle
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verrathen sich wenigstens bey starker Erhitzung lange vor der
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Verkalchung, durch einen specifiken Geruch. 2) Daß wir mit apodickti-
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scher Gewißheit blos wissen, daß die Luft durch die Hitze im freyen sehr
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ausgedehnt und dadurch sehr flüchtig von dem heißen Körper aufwärts
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weggetrieben wird, und der kältern Platz macht. Daß sie bey großer
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Erhitzung endlich von manchen heißen Körpern ohne weiteres Zwischen-
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mittel angehalten werde, die sie kurz vorher noch so sehr schnell floh und
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immer schneller je heißer sie wurden, ist also eine bloße Hypothese, die
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kaum so annehmlich ist, als die, daß der verbrennende oder der sich ver-
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kalchende Körper endlich auch etwas hergebe und sich mit ihr verbinde,
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wodurch sie ihres Feuerstoffs und ihrer Flüchtigkeit beraubt, ihren noch