Georg Christoph Lichtenberg

  • Start
  • Bände
  • Register
  • Suche
  • Hilfe
Seite 379

Band 4 - XI. Von der magnetischen Kraft - Heffte

201011
201013
4
0
1 auswärtigen Arzt. Wien 1775.287 Darin sagt er, er habe schon
2 seit 1766 bewiesen, daß im menschlichen Cörper ein Magne-
3 tismus wie in dem Welt Körper sich finde. Er glaubte seinen Satz
4 bewiesen zu haben da er fand, daß gewisse Magnete, die er von
5 p. Hell lieh an eine Hysterische Person applicirte und fand, daß
6 sie davon reissende und brennende Schmertzen empfand, die sich
7 mit einem Schweise endigten, und sie endlich befreyten.288
8 Schon die Alten als Galenus und Dioskorides halten vieles von
9 innerem Gebrauch, und zumal in Nerven Kranckheit, könnte er aber
10 da nicht als Eisen würcken?289
11 Dieses war alles gantz gut. Die Aerzte erkennen solche Disposi-
12 tionen im menschlichen Cörper, die sie Idiosyncrasie nennen, das
13 ist eine gewisse individuelle oder persönliche Empfindlichkeit ge-
14 gen gewisse Würckungen der Cörper, die allen anderen Personen
15 von gleichem Temperament und Constitution unmercklich
16 sind.[‡] Allein er wolte auch gefunden haben daß die magne-
17 tische Materie mit der elecktr. fast einerley, er glaubte alles
18 magnetisch machen zu können so wie man alles elecktrisiren
19 kan. Er gab also Holtz, Baumwolle, Hunde, Menschen Holtz pp
20 die Magnetische Krafft mit.
21 [‡] Biber, Campher Moschus.290
22 Ja er lud so gar Flaschen damit und gab elecktrische Stöße. Nicht
23 jeder Mensch nehme | 5vsie in gleichem Grade an. Einige aber so
24 starck, daß sie sich kaum auf 8 bis 10 Schritten kräncklichen
25 Personen nähern können.
26 Allg. d. Bibl. 26. B. p. 183.
27 Er selbst hat einer Frauensperson auf 8 bis 10 Schritte, hinter
28 einer Mauer die stärcksten magnetischen Schläge gegeben und
29 wohin er nur wolte. Er curirte Blutflüsse in einem Augenblick,
30 und glaubte überhaupt die Magnetische Materie errege eine
31 Ebbe und Flut im Nervensafft ein Haupt Gedancke von ihm.291
32 Er sagt einmal er habe ein Mädchen mit einem eintzigen Lufft-
33 streich geheilt, das mag ein derber Lufftstreich gewesen seyn.292
34 In diese Zeit fällt vermuthlich auch seine Geschichte mit der
35 berühmten blinden Virtuosin der Mamsel Theresa Paradis.293

Textkritischer Kommentar

379 11 – 16  Die … sind.]
379 erg.
textkritik 222086
747645 201012 4
379 19  pp]
379erg.
textkritik 222087
747646 201012 4
379 20  mit]
379erg.
textkritik 222088
747647 201012 4
379 22  Ja … Stöße]
379erg.
textkritik 222090
747649 201012 4
379 29  wolte.]
379danach gestr. // Er citirte HE. Abbt Hell als Zeugen und gerieth mit ihm in einen Streit pp {p. 184.}
textkritik 222091
747650 201012 4
379 35  Theresa]
379erg.
textkritik 222094
747653 201012 4

Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

811 287 
811 Mesmer, Schreiben 1775. Laut Crabtree (Magnetism 1988, 3 = Nr. 5) handelt es sich um einen als Flugschrift veröffentlichten Brief an den Arzt Johann Christoph Unzer, in dem Mesmer die Theorie des animalischen Magnetismus erläutert. Mesmer meinte, daß der animalische Magnetismus wie das elektrische Fluidum wirke, Körper durchdringe, konzentriert wer­den könne und Fernwirkungen habe.
anmerkung 222083
747642 201012 4
811 288 
811 Text 379,1 – 379,7 frei nach Unzer, Magnetkuren 1775, 183.
anmerkung 222084
747643 201012 4
811 289 
811 Eine Zusammenstellung der seit der Antike empfohlenen medizini­schen Anwendungen des Magneten findet sich z. B. in Lovell, Pammine­ralogicon 1661, 91. Aus Galen führt Lovell nur an, daß der Magnet hinsichtlich seiner Eigenschaften mit dem Hämatit übereinstimme; beim Hämatit nennt Lovell (ebd., 84) zwar mehre Indikationen zur inneren Anwendung, jedoch keine nach Galen. Im Index zum Corpus Galenicum (Galenus, Opera 20, 1833, 366) sind sieben Stellen zum Magneten ange­geben, von denen keine eine direkte Angabe zur Anwendung des Magneten enthält. Nach Dioskurides (Arneimittellehre 1902, 547 = 5. Buch, Cap. 147) hat der Magnet „die Kraft, den dicken Schleim abzuführen“, was |
812 humoralpathologisch auch in L.s Sinn als Anwendung bei „Nerven Kranck­heiten“ gedeutet werden kann.
anmerkung 222085
747644 201012 4
812 290 
812 Text 379,11 – 379,16 frei nach Unzers Resümée, vgl. ders., Magnet­kuren 1775, 189. – Unzer (Magnetkuren 1775, 186 – 190) rechtfertigt die Magnetkuren gegen den Zweifel, wie der Magnet, der keinen Einfluß auf Gesunde hat, auf Kranke einwirken könne. Unzer verweist darauf, daß die Anwendung des Magneten allerdings eine entsprechende Idiosynkrasie des Kranken voraussetzt, was aber nicht nur auf den Magnetismus zutrifft, sondern z. B. auch auf: „[…] die Dünste aller starckriechenden Dinge, des Moschus, Bisams, Camphers, Asands, Bibergeils, u. s. w. wie auch die Dünste der gährenden Flüßigkeiten, der Fäulniß, der giftigen Dämpfe, und der Electricität, wohin vielleicht auch die der Gewitterwolcken zu zählen sind, durch ihren bekanten Einfluß in das ganze Nervensystem.“
anmerkung 222089
747648 201012 4
812 291 
812 Text 379,16 – 20; 379,22 – 379,31 frei nach Unzer, Magnetkuren 1775, 183 f.
anmerkung 222092
747651 201012 4
812 292 
812 Quelle nicht ermittelt; vielleicht meint L. immer noch die „stärck­sten magnetischen Schläge“, die Mesmer „einer Frauensperson auf 8 bis 10 Schritte“ erteilt hat, s. 379,27 – 28. Unzer (Magnetkuren 1775, 183) schreibt von dem Phänomen jedenfalls in der Einzahl: „Er selbst brachte der Kranken in einer Entfernung von 8 bis 10 Schritten, hinter einer Person oder Mauer, dennoch, an welchem Theile des Leibes er wolte, einen so heftigen Schlag bey, als hätte sie einen Hieb mit einem stumpfen Eisen empfangen.“
anmerkung 222093
747652 201012 4
812 293 
812 Über Verlauf und Begleitumstände der Kur an der damals achtzehn­jährigen blinden Pianistin Maria Theresia Paradis hat deren Vater, Joseph Anton Paradis (1733 – 1808), in einer „Kranken-Geschichte“ berichtet. Die­ser Bericht ist in verschiedenen Bearbeitungen mehrfach veröffentlicht wor­den, vgl. Ullrich, Paradis 1961, 171 – 173 (= Fußnote 68). Mesmer (ebd., 175 – 178) hat die Behandlung von Maria Theresia Paradis am 20. Januar 1777 begonnen, die Patientin vor dem 9. Februar 1777 in seine „Privat­klinik“ aufgenommen und am 8. Juni 1777, nachdem der Vater einen Abbruch der Behandlung veranlaßt hatte, in die elterliche Wohnung zu­rückgebracht.
anmerkung 222095
747654 201012 4

Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 201012 Personenregister ~ Hell, Maximilian ~ Magnetkuren. 24635 4 379 5 lichtenberg Hell siehe Gesamtregister.
0 201012 747654 Sachregister ~ Datierung ~ 1777 Januar 20. 24643 4 812 293 20. Januar 1777 siehe Gesamtregister.
0 201012 747654 Sachregister ~ Datierung ~ 1777 Februar 9. 24644 4 812 293 9. Februar 1777 siehe Gesamtregister.
0 201012 747654 Sachregister ~ Datierung ~ 1777 Juni 8. 24645 4 812 293 8. Juni 1777 siehe Gesamtregister.
0 201012 Sachregister ~ Kampfer ~ Arznei. 24654 4 379 21 lichtenberg Campher siehe Gesamtregister.
0 201012 Sachregister ~ Moschus. 17645 4 379 21 lichtenberg Moschus siehe Gesamtregister.
0 201012 Sachregister ~ Bibergeil. 24640 4 379 21 lichtenberg Biber siehe Gesamtregister.
0 201012 Personenregister ~ Galenos, Klaudios. 8402 4 379 8 lichtenberg Galenus siehe Gesamtregister.
0 201012 747644 Personenregister ~ Galenos, Klaudios ~ Schriften ~ Opera ~ Ausg. (C.G. Kühn) Leipzig 1821–1833. 8409 4 811 289 Galenus, Opera 20, 1833 siehe Gesamtregister.
0 201012 Personenregister ~ Unzer, Johann Christoph ~ Schriften ~ [Magnetkuren. Sammelrez. einer Reihe von 1775 gedruckten Texten zur medizinischen Anwendung von Magneten, darunter Mesmer, Schreiben 1775; Unzer, Beschreibung 1775] (1775) ~ Exzerpt. 29445 4 379 1-31 lichtenberg 1 auswärtigen Arzt. Wien 1775 . 287 Darin sagt er, er habe schon seit 1766 bewiesen, daß im menschlichen Cörper ein Magne- tismus wie in dem Welt Körper sich finde. Er glaubte seinen Satz bewiesen zu haben da er fand, daß gewisse Magnete, die er von p . Hell lieh an eine Hysterische Person applicirte und fand, daß sie davon reissende und brennende Schmertzen empfand, die sich mit einem Schweise endigten, und sie endlich befreyten. 288 Schon die Alten als Galenus und Dioskorides halten vieles von innerem Gebrauch, und zumal in Nerven Kranckheit, könnte er aber da nicht als Eisen würcken? 289 Dieses war alles gantz gut. Die Aerzte erkennen solche Disposi- tionen im menschlichen Cörper, die sie Idiosyncrasie nennen, das ist eine gewisse individuelle oder persönliche Empfindlichkeit ge- gen gewisse Würckungen der Cörper, die allen anderen Personen von gleichem Temperament und Constitution unmercklich sind. [‡] Allein er wolte auch gefunden haben daß die magne- tische Materie mit der elecktr. fast einerley, er glaubte alles magnetisch machen zu können so wie man alles elecktrisiren kan. Er gab also Holtz, Baumwolle, Hunde, Menschen Holtz pp die Magnetische Krafft mit. [‡] Biber, Campher Moschus. 290 Ja er lud so gar Flaschen damit und gab elecktrische Stöße. Nicht jeder Mensch nehme  | 5v sie in gleichem Grade an. Einige aber so starck, daß sie sich kaum auf 8 bis 10 Schritten kräncklichen Personen nähern können. Allg. d. Bibl. 26. B. p.  183. Er selbst hat einer Frauensperson auf 8 bis 10 Schritte, hinter einer Mauer die stärcksten magnetischen Schläge gegeben und wohin er nur wolte. Er curirte Blutflüsse in einem Augenblick, und glaubte überhaupt die Magnetische Materie errege eine Ebbe und Flut im Nervensafft ein Haupt Gedancke von ihm. 291 siehe Gesamtregister.
0 201012 747644 Personenregister ~ Lovell, Robert ~ Schriften ~ Πανορυκτολογια. Sive Pammineralogicon (1661). 8857 4 811 289 Lovell, Pammine­ralogicon 1661 siehe Gesamtregister.
0 201012 Personenregister ~ Mesmer, Franz Anton ~ Schriften ~ Schreiben über die Magnetkur von Herrn A. Mesmer (1775). 8955 4 379 1 lichtenberg 1 auswärtigen Arzt. Wien 1775 siehe Gesamtregister.
0 201012 Personenregister ~ Mesmer, Franz Anton ~ animalischer Magnetismus. 24634 4 379 1-35 lichtenberg 1 1 auswärtigen Arzt. Wien 1775 . 287 Darin sagt er, er habe schon seit 1766 bewiesen, daß im menschlichen Cörper ein Magne- tismus wie in dem Welt Körper sich finde. Er glaubte seinen Satz bewiesen zu haben da er fand, daß gewisse Magnete, die er von p . Hell lieh an eine Hysterische Person applicirte und fand, daß sie davon reissende und brennende Schmertzen empfand, die sich mit einem Schweise endigten, und sie endlich befreyten. 288 Schon die Alten als Galenus und Dioskorides halten vieles von innerem Gebrauch, und zumal in Nerven Kranckheit, könnte er aber da nicht als Eisen würcken? 289 Dieses war alles gantz gut. Die Aerzte erkennen solche Disposi- tionen im menschlichen Cörper, die sie Idiosyncrasie nennen, das ist eine gewisse individuelle oder persönliche Empfindlichkeit ge- gen gewisse Würckungen der Cörper, die allen anderen Personen von gleichem Temperament und Constitution unmercklich sind. [‡] Allein er wolte auch gefunden haben daß die magne- tische Materie mit der elecktr. fast einerley, er glaubte alles magnetisch machen zu können so wie man alles elecktrisiren kan. Er gab also Holtz, Baumwolle, Hunde, Menschen Holtz pp die Magnetische Krafft mit. [‡] Biber, Campher Moschus. 290 Ja er lud so gar Flaschen damit und gab elecktrische Stöße. Nicht jeder Mensch nehme  | 5v sie in gleichem Grade an. Einige aber so starck, daß sie sich kaum auf 8 bis 10 Schritten kräncklichen Personen nähern können. Allg. d. Bibl. 26. B. p.  183. Er selbst hat einer Frauensperson auf 8 bis 10 Schritte, hinter einer Mauer die stärcksten magnetischen Schläge gegeben und wohin er nur wolte. Er curirte Blutflüsse in einem Augenblick, und glaubte überhaupt die Magnetische Materie errege eine Ebbe und Flut im Nervensafft ein Haupt Gedancke von ihm. 291 Er sagt einmal er habe ein Mädchen mit einem eintzigen Lufft- streich geheilt, das mag ein derber Lufftstreich gewesen seyn. 292 In diese Zeit fällt vermuthlich auch seine Geschichte mit der berühmten blinden Virtuosin der Mamsel Theresa Paradis . 293 siehe Gesamtregister.
0 201012 747654 Personenregister ~ Ullrich, Hermann ~ Schriften ~ Maria Theresia Paradis und Dr. Franz Anton Mesmer (1961). 9452 4 812 293 Ullrich, Paradis 1961 siehe Gesamtregister.
0 201012 747642 Personenregister ~ Crabtree, Adam ~ Schriften ~ Animal Magnetism, Early Hypnotism and Psychical Research, from 1766 to 1925: An Annotated Bibliography (1988). 19942 4 811 287 Crabtree (Magnetism 1988, 3 = Nr. 5) siehe Gesamtregister.
0 201012 Personenregister ~ Dioscorides, Pedanius. 19944 4 379 8 Dioskorides siehe Gesamtregister.
0 201012 747644 Personenregister ~ Dioscorides, Pedanius ~ Schriften ~ De materia medica (Περὶ ὕλης ἰατρικῆς) ~ Arzneimittellehre (dt. von J. Berendes 1902). 19947 4 811 289 Dioskurides (Arneimittellehre 1902, 547 = 5. Buch, Cap. 147) siehe Gesamtregister.
0 201012 Personenregister ~ Paradis, Maria Theresia von. 24641 4 379 34-35 lichtenberg 1 In diese Zeit fällt vermuthlich auch seine Geschichte mit der berühmten blinden Virtuosin der Mamsel Theresa Paradis . 293 siehe Gesamtregister.
0 201012 Personenregister ~ Paradis, Maria Theresia von. 24641 4 379 35 lichtenberg Theresa Paradis siehe Gesamtregister.
0 201012 747654 Personenregister ~ Paradis, Joseph Anton. 24642 4 812 293 Joseph Anton Paradis siehe Gesamtregister.
201012
201012
201012
201012
201012
20101252cf004e940f0582011617
20101252cf004e9c911902858043
20101252cf004ea2cff540157569
20101252cf004ea2e50688506632
20101252cf004ea45f0712969384
20099052ceffd947cac565464461
1462960186147

Abbildungen

Digitalisate

0201012437900handschriftVNat_4VIII_G2_005r-011.jpg5r VIII G 2, 5r
020101243792301handschriftVNat_4VIII_G2_005v-012.jpg5v VIII G 2, 5v
Vorherige Seite Gehe zu
Seite
Nächste Seite
  • Impressum
  • Akademie der Wissenschaften zu Göttingen