Georg Christoph Lichtenberg

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Seite 64

Band 3 - I. Einleitung in die Naturlehre - Heffte

183114
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3
0
1 er das Licht, das seine Untersuchungen über der gantzen Philo-
2 sophie verbreitet, nun auch in die Naturlehre trägt.163
3 Man sieht also leicht, daß wenn man einen Begrif von seinen
4 Verdiensten hierin geben will, er sich nur denen geben läßt, die
5 schon mit seiner Philosophie überhaupt bekannt sind, und das
6 würde der Fall selbst alsdann seyn müssen, wenn man ein halbes
7 Jahr etwa ein Paar Stunden die Woche darüber lesen wolte. Also
8 läßt sich hier am aller wenigsten erwarten, daß ich mich in eine
9 nur etwas vollständige Erläuterung einlassen kan. Ich muß geste-
10 hen, ich bin es willens gewesen und habe auch die Zeit über, da
11 ich von allgemeinen Eigenschafften der Körper handelte164 an
12 einem­ sehr zusammengezogenen Entwurf gearbeitet; er ist aber
13 unter der Hand doch viel zu weitläufftig für ein Collegium ge-
14 worden,165 wo dieses doch immer bloßes opus supererogationis
15 angesehen werden muß. Ausserdem habe ich doch am Ende gese-
16 hen, daß man fast nicht weniger | 72r = Bsagen kan als Weber gesagt
17 hat, wenn man nicht unverständlich seyn will.166
18 Ich begnüge mich also heute damit, daß ich Ihnen nur den
19 Hauptgang anzeige, den er genommen hat.167
20 Er trennt nämlich sorgfältig das eigentlich wissenschafftliche, das
21 heißt dasjenige, was auf Principiis a priori beruht und von aller
22 Erfahrung unabhängig ist, von dem empirischen, und liest die-
23 jenigen Naturgesetze aus, die von der Einrichtung unsres Er-
24 kenntniß Vermögens allein abhängen, das heißt er liest bey dem
25 Proceß des Denckens über Natur Erscheinungen dasjenige aus,
26 was bey diesem Proceß den eignen Anlagen unsres Denckungs-
27 Vermögens zugehört, das heißt das eigentlich Metaphysische,
28 von unserer Naturkenntniß.
29 Alle wahre Metaphysik ist bloß aus dem Wesen des Denckungs
30 Vermögens selbst genommen, aber deswegen nicht erdichtet, weil
31 sie nicht von der Erfahrung hergenommen ist, sondern sie
32 enthält die reine Handlung des Denckens und folglich Begriffe à
33 priori, wodurch hernach der andere Theil bey dem Processe das
34 Empirische erst für Uns eine gesetzmäßige Verbindung erhält.168 |

Textkritischer Kommentar

63 31 – 64,1  daß … das1]
63für das
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64 1  über]
64erg.
textkritik 190344
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64 2  verbreitet]
64danach gestr. hat
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64 2  nun]
64erg.
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64 2  trägt]
64für getragen hat
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64 6  man]
64für ich
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64 12  sehr]
64erg.
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64 15  angesehen werden muß]
64für geworden ist
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64 21  beruht]
64danach gestr. von
textkritik 190356
645520 183115 3
64 22  liest]
64für sucht
textkritik 190357
645521 183115 3
64 23  Einrichtung]
64für Natur
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64 26 – 27  den … Denckungs-Vermögens]
64für unsren eignen Anlagen
textkritik 190359
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64 26  Anlagen]
64danach gestr. zugehört
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64 34  Uns]
64doppelt unterstr.
textkritik 190361
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Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

467 163 
467 Vgl. 21,8 – 28.NL VII A 12, Bl. 35–48: „Allein man hat nun auch eine reine Naturlehre geschaffen, deren Principien a priori sind“ etc.
anmerkung 190348
645512 183115 3
467 164 
467 Vgl. Kap. $2, bes. Nr. $1 NL VII D 1 und Anm. $182.
anmerkung 190350
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467 165 
467 Ein solcher Entwurf ist im L.-Nachlaß nicht zu finden.
anmerkung 190352
645516 183115 3
467 166 
467 Vgl. L.s Eintrag auf der Rs. des Vorsatzblattes von Erx6 (ErxH, §S. 914): „Allgemeine Naturwissenschafft. Reiner Theil (80 Seiten). Empirischer Theil (168 Seiten) Auch unter dem Titul: Vorlesungen über die Naturlehre von Joseph Weber erste und 2te Abhandlung [Landshut] 1793. 8. Hat von Kants Ideen guten Gebrauch gemacht.“ – Der Dillinger Professor Joseph­ Weber (1753 – 1831) hielt es für unverzeihlich, ein Lehrbuch der Naturlehre­ ohne Rücksicht auf die „neue Philosophie“ zu verfassen. In der Vorrede erläutert er (Vorlesungen 1793): „Wieferne diese Philosophie die bisher übliche allgemeine Naturlehre erschüttere, sichte, bewähre etc. lehrte der Stifter derselben in den »Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft« Riga. schon 1786.“ Es habe aber Kants Werk „bei den Naturforschern­ […] jene Sensation nicht gemacht, die es vermöge seiner Wichtigkeit hätte machen sollen.“ Weber will daher in seinem Buch den Versuch wagen, „alle Hauptlehren, die darinn aufgestellt werden, und welche die eigentliche Naturwissenschaft umfassen und vollenden, in dem reinen Theile unter den Fassungskreis der Anfänger zu bringen, und hernach den empirischen Theil über den reinen zu erbauen.“
anmerkung 190354
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467 167 
467 Den nachfolgenden Überblick über Kants MAdN, den er ein „bloßes opus supererogationis“, also eine Leistung über das Maß der Pflicht hinaus, nennt, hat L. kurz vor Weihnachten, nach Abschluß des 4. Ab|
468schnitts des Erxleben („Statik und Mechanik“) seinen Hörern vorgetragen, erstmals wohl 1796. Im ‚Staatskalender‘ für dieses Jahr steht unter dem Datum­ des 15. Dezember: „Kant[s] metaph[ysische] Anfangsgründe viel!!“, und am Tag darauf: „Kant noch einmal und zum endlichen Schluß. Nachmittag von 2–3 endlich über diesen Salto mortale glücklich weg.“
anmerkung 190355
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468 168 
468 Wörtlich heißt es in der Vorrede zu Kants MAdN, §S. 9 (= KA 4, 472): „Alle wahre Metaphysik ist aus dem Wesen des Denkungsvermögens selbst genommen, und keinesweges darum erdichtet, weil sie nicht von der Erfahrung entlehnt ist, sondern enthält die reinen Handlungen des Denkens, mithin Begriffe und Grundsätze a priori, welche das Mannigfaltige empirischer Vorstellungen allererst in die gesetzmäßige Verbindung bringt, dadurch es empirisches Erkenntnis, d. i. Erfahrung, werden kann.“ L. hat sich den Satz (vgl. Anm. $178) auf einem separaten Blatt (NL VII A 9, Bl. 24r) notiert und ihn auch in der „Theorie der Theilbarkeit“ (NL VII D 1, Bl. 10r-13r = Nr. 15 von Kap. 2; Zitat auf Bl. 12r) zitiert, jedesmal mit geringen Abweichungen vom Wortlaut des Originals. Und in Nr. 20 NL VII A 10, Bl. 26 hat er dazu bemerkt (71,2 – 3): „Anstatt also aus der Erfahrung entsprungen zu seyn schreibt der Satz der Erfahrung vielmehr ein Gesetz vor.“ Vgl. Anm. 187.
anmerkung 190362
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Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 183115 Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VII A 13 ~ Bl. 72. 29914 3 64 16 72r siehe Gesamtregister.
0 183115 645526 Verweise ~ Vorlesungsnotizen ~ Hefte NL VII A ~ 9, Bl. 24r. 17602 3 468 168 NL VII A 9, Bl. 24r siehe Gesamtregister.
0 183115 645526 Verweise ~ Vorlesungsnotizen ~ Hefte NL VII D ~ 1, Bl. 10r–13r (VNat 3, 109,2–110,32). 17603 3 468 168 NL VII D 1, Bl. 10r-13r siehe Gesamtregister.
0 183115 645519 Verweise ~ Tagebücher ~ 1796 Dez. 15. 17600 3 468 167 Staatskalender siehe Gesamtregister.
0 183115 645519 Verweise ~ Tagebücher ~ 1796 Dez. 16. 17601 3 468 167 am Tag darauf siehe Gesamtregister.
0 183115 645518 Verweise ~ Vorlesungen zur Naturlehre ~ 1: Erxleben ~ Anhang B ~ S. 914. 33473 3 467 166 ( ErxH, §S.  914 siehe Gesamtregister.
0 183115 Sachregister ~ Physik ~ zerfällt in reine und empirische. 17029 3 64 20-22 lichtenberg Er trennt nämlich sorgfältig das eigentlich wissenschafftliche, das heißt dasjenige, was auf Principiis a priori beruht und von aller Erfahrung unabhängig ist, von dem empirischen, siehe Gesamtregister.
0 183115 645518 Personenregister ~ Kant, Immanuel ~ Schriften ~ Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1786). 7079 3 467 166 Kants Werk siehe Gesamtregister.
0 183115 Personenregister ~ Kant, Immanuel ~ Schriften ~ Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1786) ~ Überblick L.s. 17608 3 64 18-34 lichtenberg 1 Ich begnüge mich also heute damit, daß ich Ihnen nur den Hauptgang anzeige, den er genommen hat. 167 Er trennt nämlich sorgfältig das eigentlich wissenschafftliche, das heißt dasjenige, was auf Principiis a priori beruht und von aller Erfahrung unabhängig ist, von dem empirischen, und liest die- jenigen Naturgesetze aus, die von der Einrichtung unsres Er- kenntniß Vermögens allein abhängen, das heißt er liest bey dem Proceß des Denckens über Natur Erscheinungen dasjenige aus, was bey diesem Proceß den eignen Anlagen unsres Denckungs- Vermögens zugehört, das heißt das eigentlich Metaphysische, von unserer Naturkenntniß. Alle wahre Metaphysik ist bloß aus dem Wesen des Denckungs Vermögens selbst genommen, aber deswegen nicht erdichtet , weil sie nicht von der Erfahrung hergenommen ist, sondern sie enthält die reine Handlung des Denckens und folglich Begriffe à priori , wodurch hernach der andere Theil bey dem Processe das Empirische erst für Uns eine gesetzmäßige Verbindung erhält. siehe Gesamtregister.
0 183115 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ Vorlesung/Kolleg ~ Experimentalphysik ~ Einbeziehung der metaphysischen Anfangsgründe. 17031 3 64 7-19 lichtenberg Also läßt sich hier am aller wenigsten erwarten, daß ich mich in eine nur etwas vollständige Erläuterung einlassen kan. Ich muß geste- hen, ich bin es willens gewesen und habe auch die Zeit über, da ich von allgemeinen Eigenschafften der Körper handelte 164 an einem­ sehr zusammengezogenen Entwurf gearbeitet; er ist aber unter der Hand doch viel zu weitläufftig für ein Collegium ge- worden, 165 wo dieses doch immer bloßes opus supererogationis angesehen werden muß. Ausserdem habe ich doch am Ende gese- hen, daß man fast nicht weniger | 72r = B sagen kan als Weber gesagt hat, wenn man nicht unverständlich seyn will. 166 Ich begnüge mich also heute damit, daß ich Ihnen nur den Hauptgang anzeige, den er genommen hat. siehe Gesamtregister.
0 183115 645519 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ Vorlesung/Kolleg ~ Experimentalphysik ~ 1796 Winter. 17599 3 468 167 1796 siehe Gesamtregister.
0 183115 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ Vorhaben/Pläne ~ Zusammenfassung von Kants Metaphysischen Anfangsgründen. 17588 3 64 9-14 lichtenberg Ich muß geste- hen, ich bin es willens gewesen und habe auch die Zeit über, da ich von allgemeinen Eigenschafften der Körper handelte 164 an einem­ sehr zusammengezogenen Entwurf gearbeitet; er ist aber unter der Hand doch viel zu weitläufftig für ein Collegium ge- worden siehe Gesamtregister.
0 183115 Sachregister ~ a priori ~ Prinzipien. 16967 3 64 21 lichtenberg Principiis a priori siehe Gesamtregister.
0 183115 Sachregister ~ opus supererogationis. 15906 3 64 14 lichtenberg opus supererogationis siehe Gesamtregister.
0 183115 Sachregister ~ Philosophie, neue (Kant) ~ Erkenntnisvermögen. 15979 3 64 23-24 lichtenberg Einrichtung unsres Er- kenntniß Vermögens siehe Gesamtregister.
0 183115 Sachregister ~ Philosophie, neue (Kant) ~ Anfangsgründe der Naturwissenschaft. 16952 3 64 20-34 lichtenberg 1 Er trennt nämlich sorgfältig das eigentlich wissenschafftliche, das heißt dasjenige, was auf Principiis a priori beruht und von aller Erfahrung unabhängig ist, von dem empirischen, und liest die- jenigen Naturgesetze aus, die von der Einrichtung unsres Er- kenntniß Vermögens allein abhängen, das heißt er liest bey dem Proceß des Denckens über Natur Erscheinungen dasjenige aus, was bey diesem Proceß den eignen Anlagen unsres Denckungs- Vermögens zugehört, das heißt das eigentlich Metaphysische, von unserer Naturkenntniß. Alle wahre Metaphysik ist bloß aus dem Wesen des Denckungs Vermögens selbst genommen, aber deswegen nicht erdichtet , weil sie nicht von der Erfahrung hergenommen ist, sondern sie enthält die reine Handlung des Denckens und folglich Begriffe à priori , wodurch hernach der andere Theil bey dem Processe das Empirische erst für Uns eine gesetzmäßige Verbindung erhält. siehe Gesamtregister.
0 183115 645518 Personenregister ~ Weber, Joseph ~ Schriften ~ Vorlesungen aus der Naturlehre (1793). 7720 3 467 166 Vorlesungen 1793 siehe Gesamtregister.
0 183115 Personenregister ~ Weber, Joseph ~ Verbreitung von Kants Philosophie. 17594 3 64 16 lichtenberg Weber siehe Gesamtregister.
183072
183122
183122
183085528f86bddc38a529814378
183085528f86bddec46604011085
183122528f86d76da79202065840

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