Georg Christoph Lichtenberg

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Seite 44

Band 3 - I. Einleitung in die Naturlehre - Heffte

183094
183096
3
0
1 <Ich weiß nichts wer das wissen könte, als der Schöpfer oder des HE.
2 HofR. Beireis zu Helmstädt seine Uhr97 und dann noch ein Dritter
3 den mir die Bescheidenheit zu nennen verbietet.>
4 Hätte nicht ein Capricieuses Wesen mit einer Welt eben so ver-
5 fahren können, wie ich | 12r = 20hier mit meinem Zahlen System? Aber
6 das ist nicht so in der Natur; man kan sicher annehmen, wenn
7 ein Körper in einer Distantz von 1 eine Würckung äussert, die
8 ich eins nennen will, und in einer von 2 eine Würckung von Bild im Text in
9 3 eine von Bild im Text, so kann ich sicher darauf rechnen in einer Distantz
10 4 wird er eine Würckung von Bild im Text äussern, da finden keine Capri-
11 cen statt. Wiederum vom Fall der Körper in einem Zeitpunkt 1
12 den Raum 1, in 2 den Raum 4 und 3 den Raum 9, so kann man
13 grade umgekehrt alle Schätze der Welt setzen, es wird in 4 der
14 Raum 16 erfolgen. Was ist das? Ist diese Ordnung nicht ein
15 Winck für uns zu glauben, das unsre Welt einen Gott der Ord-
16 nung zum Uhrheber habe, daß sie das Werck eines γεωμετροῦντος
17 θεοῦ ist, wie ein Alter schon Gott genannt hat, ich glaube Plato.98
18 Und da unser Geist auch ein geometrisirender ist, zeigt das nicht
19 eine Aehnlichkeit unserer Geister.99 hieher Beylage 100
20 <Die Geometrischen Sätze sind absolute Wahrheiten, und diese
21 hat das Wesen, das der Urheber unserer Welt ist sich gerich-
22 tet.>101
23 <Ein Mensch also der uns lehren will die Welt sey von ohngefehr
24 entstanden, und solche unglücklichen Geschöpfe hat es gegeben
25 und giebt es noch, verdient wahrhafftig nicht ein Mensch zu
26 seyn. Unverstand ist ein zu gelindes Wort, man solte sagen Rase-
27 rey.>

Textkritischer Kommentar

44 4  ein Capricieuses Wesen]
44für Gott
textkritik 190113
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44 5 – 6  Aber … Natur]
44unterstr. LB
textkritik 190114
645278 183095 3
44 6  man … annehmen,]
44erg. am Rand
textkritik 190115
645279 183095 3
44 11  Fall der Körper]
44wiederholt am Rand LB
textkritik 190116
645280 183095 3
44 14 – 16  diese … Werck]
44für das nicht der Beweiß, daß ein geometrisirendes Wesen der Urheber dieser Maschine ist? daß es das Werck
textkritik 190117
645281 183095 3
44 14  nicht]
44Dittographie tilgt Hrsg.
textkritik 190118
645282 183095 3
44 15  Gott]
44davor gestr. ordnenden
textkritik 190119
645283 183095 3
44 19  Geister.]
44dazu am Rand hieher Beylage S
textkritik 190121
645285 183095 3
44 20  diese]
44davor gestr. nach
textkritik 190124
645288 183095 3
44 26  Unverstand]
44am Rand wiederholt LB
textkritik 190126
645290 183095 3

Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

457 97 
457 Gottfried Christoph Beireis (1730 – 1809), von 1759 bis zu seinem Tode Professor der Chemie (und später auch der Medizin) an der Universität Helmstedt, war Besitzer einer legendären „Sammlung von mannigfaltigen großentheils kostbaren und auserlesenen Seltenheiten aus allen Reichen der Natur und Kunst“, neben den berühmten Automaten von Vaucanson auch eine von Pierre Jaquet-Droz angefertigte Schlag- und Flöten-Uhr, die unter dem Namen „Zauberuhr“ bekannt war. Beireis „zeigte daran in früheren Zeiten sehr merkwürdige, und schlechterdings unbegreifliche Kunststücke. Die Uhr schlug nämlich auf Verlangen, ohne daß sie übrigens in ihrem­ Gange gestört wurde, zu jeder Zeit, jede Zahl von 1 bis 1 000, ohne daß dieselbe berührt wurde. Eingeschlossen in einen hohen Glaskasten stand sie auf einem hohen Tischgestelle mit sehr dünnen Beinen, und nicht blos ihr Besitzer, sondern jeder Fremde durfte nur, einige Schritte von ihr entfernt, mit der Hand auf einen gewissen Punct hinzeigen, so schlug eine von vergoldetem Metall gearbeitete, auf einem Gehäuse der Uhr sitzende Diana an der als Schirm von ihr gehaltenen Glocke, die verlangte Zahl, selbst ohne daß Beireis im Zimmer war.“ (Lichtenstein, Verzeichniß 1811, §S. 6 f.)
anmerkung 190112
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457 98 
457 Es war Plutarch. Im achten seiner ‚Tischgespräche (Συμποσιακά)‘ erörtern die Anwesenden „In welchem Verstande sagt Plato, daß Gott immer Geometrie treibe?“ und Plutarch beantwortet die Frage, ob man diese Behauptung­ Plato zuschreiben dürfe, indem er ausführt, „daß sie zwar in keiner von seinen Schriften mit ausdrücklichen Worten stehe, daß sie aber gar wohl für die seinige gelten könne und mit den Grundsätzen dieses Philosophen völlig übereinstimme“ (Plutarch, Schriften 1, 1911, §S. 291).
anmerkung 190120
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457 99 
457 „Nimmt man aber das Verstehen intensive, in sofern dieser Ausdruck die Intensität d. h. die Vollkommenheit in der Erkenntnis irgend einer­ einzelnen Wahrheit bedeutet, so behaupte ich, daß der menschliche Intellekt­ einige Wahrheiten so vollkommen begreift und ihrer so unbedingt gewiß ist, wie es nur die Natur selbst sein kann. Dahin gehören die rein mathematischen­ Erkenntnisse, nämlich die Geometrie und die Arithmetik. Freilich erkennt der göttliche Geist unendlich viel mehr mathematische Wahrheiten, denn er erkennt sie alle. Die Erkenntnis der wenigen aber, welche der menschliche Geist begriffen hat, kommt meiner Meinung an objektiver Gewißheit der göttlichen Erkenntnis gleich; denn sie gelangt bis zur Einsicht ihrer Notwendigkeit, und eine höhere Stufe der Gewißheit kann es wohl nicht geben.“ (Galileo Galilei, Dialog 1981, Erster Tag, §S. 108.)
anmerkung 190122
645286 183095 3
457 100 
457 Nicht überliefert. Die Beilage sollte vermutlich die nachfolgenden gestrichenen Passagen ersetzen. Diese sind daher in < > im edierten Text belassen.
anmerkung 190123
645287 183095 3
457 101 
457 In gleicher Weise argumentiert Spinoza (Traktat 1979, §S. 193) hinsichtlich der Naturgesetze: „Da aber alles nur nach dem göttlichen Ratschluß allein mit Notwendigkeit wahr ist, folgt daraus mit völliger Klarheit, daß die allgemeinen Naturgesetze nur Gottes Ratschlüsse sind, die aus der Notwendigkeit und Vollkommenheit der göttlichen Natur folgen. Wenn da|
458her in der Natur etwas geschähe, das ihren allgemeinen Gesetzen zuwiderliefe, so würde es auch dem Ratschluß, dem Verstand und der Natur Gottes notwendig zuwiderlaufen; oder wenn jemand behaupten wolle, Gott tue etwas­ entgegen den Naturgesetzen, so müßte er zugleich auch behaupten, Gott tue etwas seiner eigenen Natur entgegen, was höchst widersinnig ist.“
anmerkung 190125
645289 183095 3

Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 183095 Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VII A 5 ~ Bl. 11/12. 29896 3 44 5 12r siehe Gesamtregister.
0 183095 Personenregister ~ Beireis, Gottfried Christoph ~ Zauberuhr. 17307 3 44 2 lichtenberg Beireis siehe Gesamtregister.
0 183095 645286 Personenregister ~ Galilei, Galileo ~ Schriften ~ Dialogo (1632) ~ Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme (dt. von E. Strauss 1892; Nachdruck 1981). 6826 3 457 99 Galileo Galilei, Dialog 1981 siehe Gesamtregister.
0 183095 Sachregister ~ Mathematik ~ Verhältnis zur Physik. 17247 3 44 4-27 lichtenberg 1 1 Hätte nicht ein Capricieuses Wesen mit einer Welt eben so ver- fahren können, wie ich  | 12r = 20 hier mit meinem Zahlen System? Aber das ist nicht so in der Natur; man kan sicher annehmen, wenn ein Körper in einer Distantz von 1 eine Würckung äussert, die ich eins nennen will, und in einer von 2 eine Würckung von in 3 eine von , so kann ich sicher darauf rechnen in einer Distantz 4 wird er eine Würckung von äussern, da finden keine Capri- cen statt. Wiederum vom Fall der Körper in einem Zeitpunkt 1 den Raum 1, in 2 den Raum 4 und 3 den Raum 9, so kann man grade umgekehrt alle Schätze der Welt setzen, es wird in 4 der Raum 16 erfolgen. Was ist das? Ist diese Ordnung nicht ein Winck für uns zu glauben, das unsre Welt einen Gott der Ord- nung zum Uhrheber habe, daß sie das Werck eines γεωμετροῦντος θεοῦ ist , wie ein Alter schon Gott genannt hat, ich glaube Plato . 98 Und da unser Geist auch ein geometrisirender ist, zeigt das nicht eine Aehnlichkeit unserer Geister. 99 hieher Beylage 100 < Die Geometrischen Sätze sind absolute Wahrheiten, und diese hat das Wesen, das der Urheber unserer Welt ist sich gerich- tet. > 101 < Ein Mensch also der uns lehren will die Welt sey von ohngefehr entstanden , und solche unglücklichen Geschöpfe hat es gegeben und giebt es noch, verdient wahrhafftig nicht ein Mensch zu seyn. Unverstand ist ein zu gelindes Wort, man solte sagen Rase- rey. > siehe Gesamtregister.
0 183095 Sachregister ~ Natur ~ Ordnung. 17311 3 44 5-14 lichtenberg Aber das ist nicht so in der Natur; man kan sicher annehmen, wenn ein Körper in einer Distantz von 1 eine Würckung äussert, die ich eins nennen will, und in einer von 2 eine Würckung von in 3 eine von , so kann ich sicher darauf rechnen in einer Distantz 4 wird er eine Würckung von äussern, da finden keine Capri- cen statt. Wiederum vom Fall der Körper in einem Zeitpunkt 1 den Raum 1, in 2 den Raum 4 und 3 den Raum 9, so kann man grade umgekehrt alle Schätze der Welt setzen, es wird in 4 der Raum 16 erfolgen. siehe Gesamtregister.
0 183095 Sachregister ~ Welt ~ Entstehung ~ nicht zufällig. 17313 3 44 23-24 lichtenberg die Welt sey von ohngefehr entstanden siehe Gesamtregister.
0 183095 Sachregister ~ Geist ~ geometrisierender. 17312 3 44 18 lichtenberg unser Geist auch ein geometrisirender siehe Gesamtregister.
0 183095 Sachregister ~ Gott ~ Schöpfung nach Maß und Gewicht. 17178 3 44 14-17 lichtenberg Ist diese Ordnung nicht ein Winck für uns zu glauben, das unsre Welt einen Gott der Ord- nung zum Uhrheber habe, daß sie das Werck eines γεωμετροῦντος θεοῦ ist siehe Gesamtregister.
0 183095 Sachregister ~ Wesen ~ kapriziöses. 17310 3 44 4 lichtenberg Capricieuses Wesen siehe Gesamtregister.
0 183095 Personenregister ~ Platon. 746 3 44 17 lichtenberg Plato siehe Gesamtregister.
0 183095 645284 Personenregister ~ Plutarchos von Chaironeia ~ Schriften ~ Quaestiones conviviales (Συμποσιακά). 7470 3 457 98 Plutarch ‚Tischgespräche ( Συμποσιακά )‘ siehe Gesamtregister.
0 183095 645284 Personenregister ~ Plutarchos von Chaironeia ~ Schriften ~ Quaestiones conviviales (Συμποσιακά) ~ Tischgespräche (dt. von J.F.S. Kaltwasser, hrsg. von H. Conrad 1911). 7471 3 457 98 Plutarch, Schriften 1, 1911 siehe Gesamtregister.
0 183095 645276 Personenregister ~ Lichtenstein, Anton August Heinrich ~ Schriften ~ Verzeichniß einer ansehnlichen Sammlung von mannigfaltigen großentheils kostbaren und auserlesenen Reichen der Natur und Kunst [...] zusammengebracht durch Christoph Gottfried Beireis (1811). 7269 3 457 97 Lichtenstein, Verzeichniß 1811 siehe Gesamtregister.
0 183095 645289 Personenregister ~ Spinoza, Benedictus de ~ Schriften ~ Tractatus theologico-politicus (1670) ~ Theologisch-Politischer Traktat (lat.-dt. hrsg von G. Gawlick und F. Niewöhner 1979). 7653 3 457 101 Spinoza (Traktat 1979 siehe Gesamtregister.
0 183095 645276 Personenregister ~ Vaucanson, Jacques de. 17305 3 457 97 Vaucanson siehe Gesamtregister.
0 183095 645276 Personenregister ~ Jaquet-Droz, Pierre. 17308 3 457 97 Pierre Jaquet-Droz siehe Gesamtregister.
1433930062044

Abbildungen

Digitalisate

< 018309534401handschriftVNat_3VII-A-05-011v.jpg11v VII A 5, 11v >
0183095344501handschriftVNat_3VII-A-05-012r.jpg12r = 20 VII A 5, 12r = 20
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