Georg Christoph Lichtenberg

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Seite 33

Band 3 - I. Einleitung in die Naturlehre - Heffte

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0
1 Dieses sind Einrichtungen, Formen unsres Gemüths. Hinaustra-
2 gen in die Natur.64
3 Alles was also bey Beobachtungen und Untersuchung der Natur
4 von diesen Einrichtungen unsres Selbsts abhängt, giebt Noth-
5 wendigkeit; wir müssen es so ansehen, weil wir nicht anders
6 können. Umgekehrt, wenn wir bey Beobachtungen der Natur
7 eine­ solche Nothwendigkeit in unserer Wahrnehmung bemer-
8 cken, so können wir überzeugt seyn, daß diese Nothwendigkeit
9 ihren Grund in der Einrichtung unsres Wesens hat. – (Ich werde
10 dieses nachher mit Beyspielen erläutern.) Soviel von Principien à
11 priori.
12 Principien à posteriori, empirische hingegen sind diejenigen die
13 aus der Erfahrung hergeholt werden. Diese können nie Noth-
14 wendigkeit geben, denn jede Erfahrung | 54r = 6steht für sich allein.
15 Etwas­ was die Erfahrung tausend mal gelehrt hat, ist deswegen
16 noch nicht nothwendig sondern nur sehr wahrscheinlich.
17 Nun ein Paar Beyspiele
18 Alle Körper sind ausgedehnt, sie nehmen einen Raum ein; alle
19 Veränderungen in den Körpern gehen in der Zeit vor. Diese bey-
20 den Sätze sind offenbar keine Erfahrungs Sätze, so wenig als der
21 Satz, daß 2 Seiten in einem Triangel zusammen genommen grö-
22 ßer sind als die dritte. Wir erfahren dieses freylich auch, aber das
23 Allgemeine darin, das Nothwendige kan nie durch Erfahrung
24 ausgemacht werden. Wir konnen nicht alle Körper besehen und
25 befühlen, nicht alle Begebenheit erleben und nicht alle Triangel
26 zeichnen. Wüßten wir also jene Sätze durch bloße Erfahrung, so
27 wäre es ja wohl möglich, daß es einen Körper gäbe pp. Also
28 Erkenntnisse­ hierauf gründen heißt sie auf Principien a priori
29 gründen, die Erfahrung ist nicht weiter nöthig. Es sind Formen
30 die diese Sätze unsern eigenen unabänderlichen Anlagen zu dan-
31 cken haben Wir können nicht anders. Im Vorbeygehen | 55r = 7mercke
32 ich an, daß die Mathematik solchen Principien allein das Noth-
33 wendige und Apodicktische in ihren Schlüssen allein zu dancken
34 hat.65

Textkritischer Kommentar

33 1 – 2  Dieses … Natur]
33erg. auf vorigem Bl. 52v
textkritik 189975
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33 6  wenn]
33für bemercken
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33 8  diese]
33für dieses
textkritik 189978
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33 13 – 14  Nothwendigkeit]
33für etwas Allgemeines
textkritik 189979
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33 21  zusammen genommen]
33für immer
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33 23 – 24  durch … werden]
33für erfahren werden
textkritik 189981
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33 26  durch]
33für aus
textkritik 189982
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Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

451 64 
451 Vgl. J 1021: „Anstatt daß sich die Welt in uns spiegelt, solten wir viel mehr sagen unsere Vernunfft spiegele sich in der Welt.“
anmerkung 189976
645140 183084 3
451 65 
451 Vgl. Kant, KdrV, Transzendentale Ästhetik (KA 3, 53): „So werden auch alle geometrische Grundsätze, z. E. daß in einem Triangel zwei Seiten zusammen größer sind, als die dritte, niemals aus allgemeinen Begriffen von Linie und Triangel, sondern aus der Anschauung und zwar a priori mit apodiktischer Gewißheit abgeleitet.“ Vgl. auch Kant, Prolegomena 2001, 53, § 2 c (KA 4, 268): „Zuvörderst muß bemerkt werden: daß eigentliche mathematische Sätze jederzeit Urtheile a priori und nicht empirisch sind, weil sie Nothwendigkeit bei sich führen, welche aus Erfahrung nicht abgenommen werden kann.“
anmerkung 189983
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Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 183084 Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VII A 12 ~ Bl. 54. 29887 3 33 14 54r siehe Gesamtregister.
0 183084 Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VII A 12 ~ Bl. 55. 29888 3 33 31 55r siehe Gesamtregister.
0 183084 645140 Verweise ~ Sudelbücher ~ J 1021. 16976 3 451 64 J 1021 siehe Gesamtregister.
0 183084 Sachregister ~ Mathematik ~ verdankt ihre Schlüsse Prinzipien a priori. 16981 3 33 32 lichtenberg Mathematik siehe Gesamtregister.
0 183084 645147 Personenregister ~ Kant, Immanuel ~ Schriften ~ Critik der reinen Vernunft (1781) ~ 21787 ~ Ausg. in ders., Gesammelte Schriften 3 (1904). 16977 3 451 65 Kant, KdrV, Transzendentale Ästhetik (KA 3, 53) siehe Gesamtregister.
0 183084 645147 Personenregister ~ Kant, Immanuel ~ Schriften ~ Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (1783) ~ Hrsg. von K. Pollok 2001. 7082 3 451 65 Kant, Prolegomena 2001 siehe Gesamtregister.
0 183084 Sachregister ~ a priori ~ Prinzipien ~ Beispiele. 16980 3 33 18-34 lichtenberg Alle Körper sind ausgedehnt, sie nehmen einen Raum ein; alle Veränderungen in den Körpern gehen in der Zeit vor. Diese bey- den Sätze sind offenbar keine Erfahrungs Sätze, so wenig als der Satz, daß 2 Seiten in einem Triangel zusammen genommen grö- ßer sind als die dritte. Wir erfahren dieses freylich auch, aber das Allgemeine darin, das Nothwendige kan nie durch Erfahrung ausgemacht werden. Wir konnen nicht alle Körper besehen und befühlen, nicht alle Begebenheit erleben und nicht alle Triangel zeichnen. Wüßten wir also jene Sätze durch bloße Erfahrung, so wäre es ja wohl möglich, daß es einen Körper gäbe pp. Also Erkenntnisse­ hierauf gründen heißt sie auf Principien a priori gründen, die Erfahrung ist nicht weiter nöthig. Es sind Formen die diese Sätze unsern eigenen unabänderlichen Anlagen zu dan- cken haben Wir können nicht anders. Im Vorbeygehen  | 55r = 7 mercke ich an, daß die Mathematik solchen Principien allein das Noth- wendige und Apodicktische in ihren Schlüssen allein zu dancken hat. siehe Gesamtregister.
0 183084 Sachregister ~ Philosophie, neue (Kant) ~ Verhältnis zwischen Natur und Subjekt. 16940 3 33 1-9 lichtenberg Hinaustra- gen in die Natur. Alles was also bey Beobachtungen und Untersuchung der Natur von diesen Einrichtungen unsres Selbsts abhängt, giebt Noth- wendigkeit; wir müssen es so ansehen, weil wir nicht anders können. Umgekehrt, wenn wir bey Beobachtungen der Natur eine­ solche Nothwendigkeit in unserer Wahrnehmung bemer- cken, so können wir überzeugt seyn, daß diese Nothwendigkeit ihren Grund in der Einrichtung unsres Wesens hat. siehe Gesamtregister.
0 183084 Sachregister ~ Philosophie, neue (Kant) ~ Anfangsgründe der Naturwissenschaft. 16952 3 33 1-34 lichtenberg 1 1 Dieses sind Einrichtungen, Formen unsres Gemüths. Hinaustra- gen in die Natur. 64 Alles was also bey Beobachtungen und Untersuchung der Natur von diesen Einrichtungen unsres Selbsts abhängt, giebt Noth- wendigkeit; wir müssen es so ansehen, weil wir nicht anders können. Umgekehrt, wenn wir bey Beobachtungen der Natur eine­ solche Nothwendigkeit in unserer Wahrnehmung bemer- cken, so können wir überzeugt seyn, daß diese Nothwendigkeit ihren Grund in der Einrichtung unsres Wesens hat. – (Ich werde dieses nachher mit Beyspielen erläutern.) Soviel von Principien à priori . Principien à posteriori , empirische hingegen sind diejenigen die aus der Erfahrung hergeholt werden. Diese können nie Noth- wendigkeit geben, denn jede Erfahrung  | 54r = 6 steht für sich allein. Etwas­ was die Erfahrung tausend mal gelehrt hat, ist deswegen noch nicht nothwendig sondern nur sehr wahrscheinlich. Nun ein Paar Beyspiele Alle Körper sind ausgedehnt, sie nehmen einen Raum ein; alle Veränderungen in den Körpern gehen in der Zeit vor. Diese bey- den Sätze sind offenbar keine Erfahrungs Sätze, so wenig als der Satz, daß 2 Seiten in einem Triangel zusammen genommen grö- ßer sind als die dritte. Wir erfahren dieses freylich auch, aber das Allgemeine darin, das Nothwendige kan nie durch Erfahrung ausgemacht werden. Wir konnen nicht alle Körper besehen und befühlen, nicht alle Begebenheit erleben und nicht alle Triangel zeichnen. Wüßten wir also jene Sätze durch bloße Erfahrung, so wäre es ja wohl möglich, daß es einen Körper gäbe pp. Also Erkenntnisse­ hierauf gründen heißt sie auf Principien a priori gründen, die Erfahrung ist nicht weiter nöthig. Es sind Formen die diese Sätze unsern eigenen unabänderlichen Anlagen zu dan- cken haben Wir können nicht anders. Im Vorbeygehen  | 55r = 7 mercke ich an, daß die Mathematik solchen Principien allein das Noth- wendige und Apodicktische in ihren Schlüssen allein zu dancken hat. 65 siehe Gesamtregister.
0 183084 Sachregister ~ Gemüt (Selbst) ~ Ausstattung. 16970 3 33 1 lichtenberg 1 Dieses sind Einrichtungen, Formen unsres Gemüths. siehe Gesamtregister.
0 183084 Sachregister ~ a posteriori ~ Prinzipien. 16979 3 33 12-13 lichtenberg Principien à posteriori , empirische hingegen sind diejenigen die aus der Erfahrung hergeholt werden. siehe Gesamtregister.

Abbildungen

Digitalisate

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01830843333101handschriftVNat_3VII-A-12-055r.jpg55r = 7 VII A 12, 55r = 7
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