II. Über die Körper überhaupt. §. 23.
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118u.s.w. Theile, und vorzüglich auf das schöne Beyspiel von
2Parallel-Linien. Daß man sich (Fig. 1.) die zwey Parallel-Linien
3AB und CD bis zum Sirius und ins Unendliche fortgesetzt denken
4könne, ist eine ausgemachte Sache. Man ziehe nur zwischen bey-
5den die senkrechte Linie EF, so werden sich durch dieselbe aus
6dem Punkte G so viele Linien ziehen lassen, als auf der bis ins
7Unendliche verlängerten FB Punkte angenommen werden kön-
8nen. Folglich läßt sich die senkrechte Linie EF bis ins Unendliche
9theilen.
10Die Atomisten sagen: dieß geben wir zu. Allein ihr könnt ja65
11gar keine mathematischen Linien ziehen. Die Linien, die ihr auf
12dem Papier zieht, sind keine solchen. Ihr nehmt schon die Theile
13an, die ihr daran findet. Ihr tragt die unendliche Theilbarkeit
14schon hinein. Ihr könnt also von dem Abstrakto nicht auf das
15Konkretum schließen. Die feinste Linie, die ihr ziehet, ist eben so
16wenig eine mathematische Linie, als ein Stadtgraben.
17Dieß ist wohl wahr, erwiedern die Mathematiker, allein ihr
18gebt doch zu, daß die Körper ausgedehnt sind, und daß sie diese
19Eigenschaft mit den mathematischen gemein haben. Nun so muß
20auch alles von ihnen gelten, was von der Ausdehnung gilt. Wir
21schränken unsere Theilbarkeit blos auf den Raum ein; dieser ist
22doch ins Unendliche theilbar. Er kann nicht aus Din|gen beste-66
23hen, die keine Räume sind. Nun müssen wir aber die Körper
24in den Raum hineinsetzen; also läßt sich gegen ihre unendliche
25Theilbarkeit nichts einwenden. – Es mag immer Körper geben, die
26physisch einfach sind, z.B. die ersten Punkte der Körper. Aber sie
27haben doch Figur, und müssen sich folglich ins Unendliche theilen
28lassen.
29Da hat man also Gründe und Gegengründe. Nun wie lassen
30sich beyde mit einander vereinigen? wie kann man sich über diese
31große Verschiedenheit beruhigen? Ein Trostgrund ist dieser: In
32so ferne wir uns die Körper als ausgedehnt denken, müssen wir
33sie uns nothwendig als unendlich theilbar denken. Allein wenn
34wir sie uns als zusammengesetzt denken, so müssen wir auch
35endliche Theilbarkeit annehmen, so muß es Körper geben, die
36phy|sisch einfach sind, z.B. die ersten Punkte derselben. – Ein67
37anderer Trostgrund ist dieser: Wir wissen gar nicht, was die Kör-
38per sind. Wir schreiben denselben Ausdehnung zu; das zeigt schon
39von subjektiver Nothwendigkeit, uns die Dinge so zu denken.
40Alles, was wir empfinden, ist unsere Sinnlichkeit. Wir sehen die
41Sonne, aber es ist weiter nichts, als Raisonement über das Bild